Bibliothek Kammgarn
Ausgangslage
Die Bibliotheken Schaffhausen sind sehr erfolgreich – stetig steigende Ausleihzahlen, gut belegte Leseplätze, vielbesuchte Veranstaltungen und zahlreiche Führungen belegen dies. Inzwischen ist die Kapazitätsgrenze in der Agnesenschütte erreicht. Es fehlt an Platz für Medien und Sitzgelegenheiten, die Nutzungen kommen sich in die Quere (z.B. ruhiges Lesen und muntere Kinderführungen). Dazu kommt der Zustand des 1986 als Provisorium bezogenen Gebäudes. Einrichtung und Mobiliar (Bodenbelag, Regale) sind veraltet, limitiert oder abgenutzt, ebenso die technische Infrastruktur (Heizung, Lift, Strom- und Netzwerkanschlüsse).
Seit 2016 ist der Estrich feuerpolizeilich geschlossen. Deshalb musste die Ludothek aus der Agnesenschütte bedauerlicherweise ausziehen. Eine weitere Verschärfung der feuerpolizeilichen Vorschriften würde grosse Investitionen und einen gravierenden Platzverlust bedeuten (z.B. Einglasung Treppe).
Fazit: Die heute erfolgreiche Bibliothek stösst an ihre Kapazitätsgrenzen. Die heutigen Anforderungen an eine Bibliothek als lebendiger Ort des Lernens und Austauschs können in der Agnesenschütte nicht mehr erfüllt werden. Die Zukunftsfähigkeit der Bibliothek steht auf dem Spiel.
Projekt „Entwicklung Kammgarnareal“: Die Stadt Schaffhausen plant den Westflügel des Kammgarnareals zwischen Altstadt und Rhein in Partnerschaft mit dem Kanton und der IWC zu entwickeln. Die entsprechende politische Vorlage hat die Schaffhauser Stimmbevölkerung am 30. August 2020 angenommen. Die Bibliothek soll im Kammgarn-Westflügel gemeinsam mit der Ludothek, der Pädagogischen Hochschule, einem Gastronomieangebot und privatwirtschaftlicher Nutzung einziehen.
Bibliotheksentwicklung und Kammgarn
Eine zukunftssichernde Bibliotheksentwicklung ist nur ausserhalb des heutigen Gebäudes Agnesenschütte möglich. Drei Bereiche sind hier von besonderer Bedeutung:
Medienbestand und -Präsentation: Ein hochwertiges, attraktiv präsentiertes Medienangebot hat auch im Zeitalter der Digitalisierung seine volle Berechtigung. In der Kammgarnbibliothek wird für die Präsentation der in etwa gleichen Anzahl Bücher und AV-Medien mehr Raum zur Verfügung stehen: Mehr Ausstellfläche, mehr Platz zwischen den Gestellen, keine überhohen und bodennahen Regalbretter.
Mobiliar und Haustechnik: Regale und Möbel sind heute leicht und verschiebbar, um eine flexible Raumnutzung zu ermöglichen. Heizung, Erschliessung, Strom- und Netzwerkanschlüsse können in der Kammgarn auf dem aktuellen Stand der Technik installiert werden.
Bibliothek als sozialer Ort: Moderne Bibliotheken sind Lern- und Arbeitsorte und immer mehr auch Orte der Begegnung und des Austauschs – einer der wenigen öffentlichen Orte ohne Konsumzwang und Eintrittshürden, offen für alle Personen guten Willens. Sie werden immer mehr zu wichtigen Begegnungs- und Integrationszentren unterschiedlicher Bevölkerungsschichten in den Städten.
Synergien mit anderen Kammgarn-Nutzern: Die Bibliothek wird das Areal beleben und profitiert von den Nachbarn und der gemeinsamen Infrastruktur (Gastronomie, Parkplätze, Aussenfreiraum mit gestaltetem, verkehrsfreiem Platz). Eine besondere Nähe besteht zur Pädagogischen Hochschule und ihrem Didaktikzentrum als möglicher Nachbarin. Aber auch Büros der Kreativwirtschaft oder „nomadische“ Projektarbeitende können von der Bibliothek und ihrem Angebot profitieren (Medien, Arbeitsplätze, WLAN…).
Betriebliche Rahmenbedingungen: Es ist vorgesehen, die Kammgarnbibliothek im Rahmen des bestehenden Budgets zu betreiben. Die Bibliothek ist im Parterre (schnell, aktuell, lebhaft) und 1.OG (ruhig, gemütlich, konzentriert) untergebracht. Dabei wird die Ludothek wieder Nachbarin der Bibliothek.
Für die Kammgarnbibliothek und Ludothek sind zusammen ungefähr 1250 qm. vorgesehen. Die Agnesenschütte hat heute etwas unter 700 qm. Vergleichbare Neu- oder Umbauten der neueren Zeit haben Flächen von 900 qm. (Rapperswil, 2014), 1250 qm. (Frauenfeld, 2005) 1300 qm. (Radolfzell, 2015) und 1600 qm. (Chur, 2019), Normwerte liegen um die 1500 qm.
Die Stadtbibliothek am Münsterplatz ist vom Kammgarn-Projekt nicht unmittelbar betroffen und bleibt der Ort der Büroarbeitsplätze, der älteren und historischen Bestände und des Kulturgüterschutzes.
Beispiele neuer Bibliotheken
Viele Grossstädte, aber auch kleinere Orte haben in den letzten Jahren in Neubauten oder Umbauten ihrer Bibliotheken investiert. Dies gilt für den Bereich der öffentlichen wie der Hochschulbibliotheken. Einige Beispiele:
- Leuchtturmprojekte mit grösster Ausstrahlung in der Bibliothekswelt, aber auch in der breiteren Gesellschaft sind das Dokk 1 in Aarhus (2017), Oodi in Helsinki (2018) oder seit Kurzem die Stadtbibliothek Oslo (2020).
- Neue schweizerische Realisierungen sind Chur (2019) und Basel Schmiedenhof (2017). Aber auch kleinere Gemeinden wie Spiez, Gossau SG oder Dietlikon haben in letzter Zeit in ihre Bibliotheken investiert. St. Gallen plant für 2025 einen grosszügigen gemeinsamen Neubau von Kantons- und Stadtbibliothek.
- In der deutschen Nachbarschaft sind Radolfzell (Umbau eines alten Stadtpalais) und Friedrichshafen (Neubau Medienhaus am See) inspirierend. Weiter ist die grossartige Stadtbibliothek Stuttgart am Mailänder Platz zu nennen, und in Vorarlberg plant aktuell Dornbirn einen spannenden Neubau.
Weiterführende Links
Bericht über die neue Stadtbibliothek Oslo
Neubaupläne Bibliotheken St. Gallen
Die Bundeszentrale für politische Bildung zur Bibliothek als Ort des Lernens und Austauschs
Eine gute Zusammenfassung der „modernen Bibliothek“ von Bernhard Bertelmann, Kantonsbibliothek Thurgau
Im Tagesspiegel: Bibliotheken im 21. Jahrhundert
Auf SWR: Radiobeitrag zur modernen Bibliothek

